Werner Mally – „Transformation“
Evangelisch-Lutherische Christi- Himmelfahrts-Kirche Freising
Seit ihrer Einweihung an Christi- Himmelfahrt 1952 heißt die evangelische Kirche in Freising ChristiHimmelfahrts-Kirche.
„Die Kirche soll auch in ihrer künstlerischen Ausgestaltung eine Christi- Himmelfahrts-Kirche werden“ das war das Ziel des Kirchenvorstands und der Landeskirche bei der Umgestaltung der Kirche anlässlich der großen Sanierung 2014. „Einladend soll sie sein, offen, hell und zum Verweilen inspirieren. Ein Raum, der es erlaubt, für eine Zeitlang aus dem Alltag heraus- und in die Begegnung mit Gott einzutreten.“
Ein Kunstwettbewerb wurde in Abstimmung mit Kirchbaudirektor Harald Hein und Kunstreferent Helmut Braun der Evangelischen Landesskirche in Bayern ausgelobt und durchgeführt, begleitet vom Architekturbüro Udo Rieger aus Isen, das die räumliche und architektonische Neugestaltung des Kirchenraumes plante und ausführte. Die Wahl unter den Entwürfen fünf renommierter Künstler und Künstlerinnen aus Deutschland fiel auf Werner Mally aus München mit seinem Entwurf „Transformation“. Dieser bestach durch die durchdachte und für die Jury in sich stimmige Umsetzung des Themas.
Auf abstrakte Weise, zeitgemäß, theologisch fundiert, aber auch herausfordernd und manchen Kirchenbesucher, manche Kirchenbesucherin provozierend, hat Werner Mally seine Annäherung an „Christi Himmelfahrt“ gestaltet. Sein Kunstwerk lässt den Kirchenraum für viele zu einem spirituellen Begegnungsraum werden.
Der Innenraum der Kirche ist hoch, offen und hell gestaltet. Schon beim Eintreten in die Kirche wird der Blick nach vorne und durch die Installation im Altarraum nach oben gerichtet.
Im Chorraum sind unter und vor dem Kunstwerk Altar, Kanzel und Ambo angeordnet.
Alle drei Prinzipalien sind aus dem Stamm einer etwa 200 Jahre alten Eiche geschnitten. Das Alter der Eiche entspricht also etwa der Zeitspanne zurück zu den Anfängen der Freisinger evangelischen Kirchengemeinde um 1833.
Die Holzelemente der Prinzipalien wirken trotz ihrer Massivität leicht und sind durch ihre Gestaltung nach oben ausgerichtet.
Die Kanzel steht auf zwei Marmorplatten, die versetzt angeordnet sind und so eine nach oben steigende treppenartige Wirkung erzielen. Sie reicht in das Kirchenschiff hinein, so dass der Prediger, die Predigerin nahe bei den Gottesdienstbesuchenden ist.
Ihre Brüstung ist in einem Stück winkelförmig aus dem Eichenholz geschnitten, obenauf liegt eine hölzerne Buchablage. Die Maserung und alte Verfärbungen des Holzes sind deutlich zu erkennen. Neben der Kanzel markieren zwei austauschbare Holzstelen in jeweils wechselnden Farben den liturgischen Jahresfestkreis.
Auf der Seite der Kanzel steht die Christuskerze in einem schlanken zylinderförmigen Leuchter.
Der Altar steht zentral im Altarraum, ihm gegenüber, mittig auf der Ebene der Gemeinde, hat der historische Taufstein seinen Platz. So bilden die Prinzipalien mit dem Taufstein ein imaginäres Kreuz: Abendmahl (Altar) und Taufe (Taufstein) in einer Achse und das Wort links (Kanzel) und rechts (Lesepult) in der anderen. Durch diese Anordnung ist Christus das Zentrum. Verstärkt wird das durch die Gestaltung des Altars, der auf zwei schmalen Kanten steht, die ebenfalls ein Kreuz bilden. Bei der Form des Altars hat sich Mally von der Turmspitze der Kirche inspirieren lassen. Der Altar bildet in umgedrehter Form die Spitze des Kirchturms ab. Der Turm zeigt in den Himmel, der Altar holt ein Stück Himmel in die Kirche zu den Menschen.
Die quadratische Form des Altars und sein Standort mitten im Chorraum ermöglichen es der Gemeinde, sich mit dem Pfarrer, der Pfarrerin, um den Altar herum zum Abendmahl zu versammeln als Gemeinschaft der Gläubigen am Tisch des Herrn.
Für das Lesepult wurden die aus dem Altar ausgeschnittenen Dreiecke verarbeitet.
Die mit der Spitze gegenläufig aneinander gefügten Dreiecksteile haben ebenfalls eine leichte, fast schwebende Wirkung. Alles ist nach oben ausgerichtet, dem Himmel entgegen.
Drei Ebenen werden durch die Anordnung der Elemente im Altarraum in einen spannungsvollen Bezug zueinander gebracht:
Die Prinzipalien bilden die Ebene des Jetzt und Hier, der Feier des Gottesdienstes, der Gemeinschaft der Gläubigen untereinander, mit Gott in der Mitte.
Die zweite Ebene entsteht durch das gleichschenklige Kreuz an der rechten Chorwand gegenüber der erhöhten Kanzel. Werner Mally hat das Kreuz wie eine Wunde aus dem Putz der Kirchenwand gehauen und den roten Backstein darunter freigelegt. Symbolisch steht es für die tödlichen Wunden Jesu am Kreuz, für Karfreitag und für alle tödlichen Wunden aus Hass, Verletzungen, Krieg, Streit, Böswilligkeit der Welt, die am Kreuz überwunden wurden. Die Einfügung übereck an der Kante zum Chorraum weist darauf hin: Christus ist der Eckstein geworden.
Das Kreuz wird in seiner Form aufgenommen im einem kleinen, aus einer Linie gegossenen Altarkreuz. Das Kreuz bestimmt den Altarraum, hat aber nicht das letzte Wort. Es geht weiter, über das Kreuz, über Tod und Leid hinaus, hin zur dritten Ebene, hin in ein abstraktes Geflecht aus unterschiedlichen Formen und Farben, in unterschiedlicher Dichte und Weite, von Werner Mally als „Transformation“ bezeichnet. Diese ist das Ziel, auf das der Altar- und der gesamte Kirchenraum ausgerichtet sind. Je nach Beleuchtung und Lichteinfall bekommt die Installation Tiefe, wirft sie Schatten, korrespondiert sie mit dem bunten Kirchenfenster an der gegenüberliegenden Seite, entsteht ein Farbenlichtspiel im ganzen Kirchenraum.
Die konkrete Deutung der Installation hat Mally bewusst offen gelassen. Wird er gefragt, wie er sie versteht, gibt er die Frage zurück: „Wie verstehen Sie, was Sie sehen?“
Ganz unterschiedlich fallen da die Aussagen von Kirchenbesuchenden aus:
„Ein Netz aus Fischen“, „Engel“, „eine Leiter“ sagen Kinder.
„Ein Geflecht, ein Teppich, eine Wolke, eine Himmelstreppe, ein Wirrwarr“ - so unterschiedlich die Menschen sind, so unterschiedlich beschreiben sie das Kunstwerk.
„Ich kann darin mit den Augen spazieren gehen und mich darin festmachen und darin verweilen.“, beschreibt es eine Frau. „Mir sagt das gar nichts, da gehört ein Kreuz in die Mitte, wie bei anderen Kirchen auch.“, sagt ein Mann.
Für mich ist Werner Mallys Installation wie ein Blick in den Himmel, in die Sphäre Gottes, im englischen nicht mit sky, sondern mit heaven übersetzt. Manchmal spüre ich Gottes Nähe, kann ich mir ein Bild vom Himmel machen, manchmal ist mir Gottes Nähe entzogen, sehe und spüre ich Gott nicht in meinem Leben. Ob wir Gott erkennen oder nicht, wir sind mit ihm verbunden, auch diese Aussage finde ich in der Installation. Mein persönlicher Titel dafür ist „Zusammenhang“: So wie die einzelnen Elemente, ganz unterschiedlich in Farbe, Form und Größe zusammenhängen, ein Ganzes bilden, so gehören wir Menschen als Familie weltweit zusammen in unserer ganzen Vielfalt, fest eingebunden in Gottes Liebe und Güte, ganz gleich ob wir Gott Abba, Jahwe, oder Allah nennen.
Etwas Besonderes ist das Kunstwerk auch durch sein Material: Die Elemente sind aus Holz und hatten ursprünglich eine völlig andere Form und Funktion: Werner Mally hat sie ringförmig aus Stühlen des dänischen Designers Arne Jacobsen gesägt. Die ineinandergehängten Schleifen in den Farben Rot, Türkis, Gelb, Weiß, Violett und holzfarben stammen von Stühlen, die irgendwo auf der Welt zuvor benutzt und in Gebrauch waren.
Diese Stühle haben ihre Materialität behalten, wurden aber in eine völlig neue Form und Funktion gebracht, transformiert. Genau das ist die theologische Botschaft an Christi- Himmelfahrt: Unser Leben hier ist nicht das Letzte aller Dinge. Irgendwann werden wir ganz bei Gott sein, wird unser Leben nochmal ganz anders sein, werden wir verwandelt werden durch Gott. Wir haben jetzt hier alle unseren Platz (unseren Sitzplatz) auf dieser Erde und wir werden einmal einen ganz neuen Platz haben im Himmel.
Christi-Himmelfahrt - für mich ist sie theologisch die Botschaft von der Nähe Gottes, von dem Zusammenhang Gottes mit uns Menschen und die Hoffnung auf Neuwerdung des Lebens durch Gott, nach unserem Tod und schon jetzt.
Diese Christi- Himmelfahrts-Botschaft „predigt“ unser Kirchenraum seit 2015 dank Werner Mally.
Dorothee Löser
ehem. Pfarrerin der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Freising